Der nachfolgende Artikel von Wolfgang Maassen erschien in phila historica 3/2021, 69 ff (hier der link zu dieser und weiteren Ausgaben) und wird hier mit freundlicher Genehmigung des Autors wiedergegeben.
Wolfgang Maassen RDP, AIJP
Über das Schicksal der berühmten Petschek-Sammlungen gibt es bis heute keine fundierte Darstellung, bestenfalls einige Hinweise und noch mehr Gerüchte. So wird dem Sammler Walter Blell die Aussage zugeschrieben, derzufolge schon in den 30er-Jahren die Sammlungen in die Schweiz verbracht und bei einem Anwalt eingelagert worden sei. Dieser habe in den 50er-Jahren mit dem Verkauf begonnen, durfte sie aber angeblich nicht in der Schweiz verkaufen, so dass sie nach Braunschweig verkauft wurde. In der gleichen Quelle wird auch Georges Schild zitiert, der in einem Brief vom 20. Januar 1988 Genaueres zu berichten wusste. Es wird aber noch zu zeigen sein, dass all diese „Erinnerungen“ im Kern ungenau sind und dem wirklichen Ablauf, so weit er dem Autor bisher bekannt ist, nicht ganz entsprechen. (21)
Die Spurensuche führt auch hier erst mal wieder nach Berlin und Dr. Franz Kalckhoff ist hier erneut erster Zeuge, denn er schreibt am 28. November 1938 einen Brief an Max von Bahrfeldt, in dem er u.a. vermerkt: „Die Preußen-Arbeit hat durch die Entziehung der P.-Sammlung einen schweren Schlag erlitten. Mindestens wird sie verzögernd wirken, denn die Ergebnisse aus der Sammlung müssen berücksichtigt werden“. Und dieser schreibt ihm einen Tag zurück: „Bitte versuchen Sie doch alles, um die Auswertung der Petsch. Sammlung zu erreichen. Die Verzögerung muss doch tunlichst eingeschränkt werden“.
Beide wussten also schon im November 1938, dass die berühmte Petschek-Sammlung konfisziert worden war und wohl kaum war ihnen Hinweise in den Ausgaben der „Ganzsache“ des gleichen Jahres zuvor entgangen, in denen zu lesen stand: „Ausgeschieden Mitglied Nr. 460 Petschek – Außig“ und dass 17 Mitglieder den Verein verlassen hatten. (22). Angesichts des gesteigerten wissenschaftlichen Auswertungsinteresse, das Dr. Kalckhoff wegen seiner Arbeit an der Studie „Die Umschläge der altdeutschen Staaten: Preußen“ zu jener Zeit hatte, darf man wohl auch annehmen, dass er über die Vorgänge „hinter den Kulissen“ orientiert war.
Die Zeitschrift „Die Ganzsache“ war das bekannte Journal des Berliner Ganzsachensammler-Vereines, der schon vielfach in den Jahren zuvor über Inhalt und Umfang dieser Sammlung kurz berichtet hatte. (23) Im Oktober 1941 weiß sie zu berichten, dass diese Sammlung eben nur – aus den zuvor genannten Gründen – bis 1938 fortgeführt wurde, „das Finanzamt über kurz oder lang zur Verwertung der Sammlung schreiten (wird), und damit … sich besonders den Spezialsammlern einzelner Länder ungeahnte Möglichkeiten zur Vervollständigung ihrer Sammlung bieten (werden)“.
Bemerkenswert ist der Hinweis, „dass sich die größten Seltenheiten und Unika nicht mehr in der Sammlung befinden, wie zum Beispiel die ungebrauchten Preußen-Oktogone, die Stadtpostumschläge von Petersburg und Moskau, die Shilling-Umschläge von Mauritius und manches andere“. Es waren genau die Positionen, die bei früheren Besprechungen der Sammlung in der Fachpresse als die großen Einmaligkeiten und Raritäten der Sammlungen herausgestellt worden waren! Ein Hinweis, wer diese dem Bestand entnommen hatte, ob das Finanzamt, Hermann Göring oder gar ein Philatelist, ist der Ankündigung nicht zu entnehmen.
Wohl aber, dass sich Interessenten bei Geheimrat Dr. Franz Kalckhoff für den anstehenden Verkauf vormerken lassen konnten und dass dieser auch „nähere Auskünfte“ erteile. „Die Sammlung (sei) immerhin noch reich an Seltenheiten und nicht katalogisierten Stücken, ganz abgesehen davon, dass sie wissenschaftlich durchgearbeitet ist und auf vieles aufmerksam macht, was nicht im Katalog steht“.
Ein knappes Jahr später heißt es in der gleichen Zeitschrift, dass „durch eine Vereinbarung mit dem Erwerber der Sammlung die Möglichkeit gegeben (ist), aus dieser Sammlung zusammengestellte Ländersammlungen zu erwerben“. Zuvor wird darauf verwiesen, dass die Ganzsachensammlung „zum Teil“ aufgelöst würde. Als Ansprechpartner firmiert nun der Rundsendeleiter des Berliner Ganzsachen-Sammler-Vereins (BGSV), Kammergerichtsrat Dr. Otto Krause in Berlin-Charlottenburg 5, in der Trendelenbergstr. 1, dem man seine Wünsche schriftlich mitteilen könnte.
Was war also damals passiert? Zumal in der Zeit von 1938 bis 1941? Warum hatte es solange gedauert, bis die Ganzsachen-Sammlung beim BGSV angekündigt wurde? Auf diese Frage weiß man erst seit kurzem eine nachprüfbare Antwort. Die Sammlungen wurden, wohl im September 1938vom Finanzamt Berlin Moabit-West konfisziert. (24) Offenbar scheint man sich dann den Kopf zerbrochen zu haben, was man wohl mit dem Riesenfundus machen sollte. Das Literarische Archivs des Reichspostministerium regte am 8. Februar 1939 an, die Petschek-Sammlung, aber auch die wertvollen Sammlungen von Max Mandelbaum aus Würzburg, die vom Oberfinanzpräsidenten in Würzburg beschlagnahmt worden war, dem Reichspostmuseum zu übereignen. (25) Es ist dem Autor nicht bekannt, warum es nicht zu diesem „Deal“ kam. Es mag unter dem Eindruck der „Kristallnacht“ des November 1938 vielleicht als unpassend erschienen sein, international bekannte Raritäten als „Beutegut“ öffentlich zu zeigen. Wahrscheinlicher ist aber, dass sich der Wunsch nach den so dringend benötigten Geldmitteln durchsetzte, um die politischen Ziele durchzusetzen. Letztlich dürfte ja auch nicht auszuschließen sein, dass Kalckhoff und andere namhafte Mitglieder des BGSV daran mitgewirkt haben, eine andere Entscheidung herbeizuführen, die einerseits dem Verwertungsgedanken Rechnung trug, aber auch die Forschung ermöglichte.
Allerdings handelte es sich um einen Riesenbestand, den man – gerade zur Kriegszeit – nicht einfach „mal so“ auflösen konnte. Soweit es heute zu sagen ist, ist nur ein kleiner, zwar bedeutender, aber doch sehr begrenzter Teil in die Alben so mancher Mitglieder des BGSV gewandert, auch zu Dr. Franz Kalckhoff, der – so berichtet Günter Lanser – z.B. den sog. Probedruck des Streifbandes zu 2 Heller des „Deutschen und Österreichischen Alpenvereins“ Georg Gohrmann aus Berlin-Charlottenburg vorlegte, über den dieser wiederum in der „Ganzsache“ vom Februar 1942 einen Artikel verfasste. Dieses Stück war einmalig – und eben vorher in der Petschek-Sammlung!
Es ist auch bekannt, dass Mitglieder des BGSV, aber auch der späteren ArGe Hannover, während des Krieges Material aus dieser Sammlung gekauft haben. So heißt es in der schon erwähnten „Ganzsache“ im Jahr 1943: „Von der Petschek-Sammlung konnte den Mitgliedern ein Teil zur Verfügung gestellt werden, wovon erfreulicherweise reger Gebrauch gemacht wurde. Kleine Differenzen, die sich bei der Auflösung der Sammlung ergaben, konnten bald beigelegt werden.“ (26)
Was heißt hier „kleine Differenzen“? Nun es ist verbürgt, dass sich die Mitglieder des BGSV zu „sehr günstigen“ Preisen schon zuvor auch aus der ebenfalls riesigen „Ascher-Sammlung“ bedient hatten. Hierzu liegt dem Autor ein persönliches Schreiben von Siegfried Ascher vor, dass dieser wenige Jahre vor seinem Tod im Zufluchtsland Israel schrieb. Auch ein namhafter deutscher Ganzsachen-Spezialist, der diese Zeit selbst mit erlebt hat, bestätigt dies mit den Worten: „Die Rolle des BGSV war sicher zwiespältig. Zumindest weiß ich das von der zu Ascher. Herr Rieger (gemeint ist Karl Rieger, der damals bekannte Ganzsachen-Sammler; Anm. d. Autors), der ja auch dem BGSV angehörte, hat mir persönlich gesagt, dass er es abgelehnt hat, aus dem Material Ascher etwas zu entnehmen, das damals zu Spottpreisen angeboten wurde. R. sagte mir, dass er eine Aversion gegen diese Fledderei gehabt hätte, sodass sich der Münchner Verein, den er ja repräsentierte, nicht beteiligt habe“. (22) Gerade diese Aussage lässt so manches anders bei Lichte erscheinen als es einzelne Berliner Philatelisten später gerne mit dem Verweis auf ihre angebliche „Hilfe und Unterstützung für einen flüchtigen Juden“ darzustellen suchten.
Insofern ist die Leserfrage von Wolfgang Rumpf vom 13. September 2004 berechtigt, wenn er schreibt: „Wo sind die extremen Seltenheiten geblieben? Sind die Bestände verbrannt oder lagern sie als Reparationen noch irgendwo? 100.000 Ganzsachen, darunter 10 Prozent extrem selten, können eigentlich nicht vom Markt verschwinden“. – Richtig, und es gibt sogar Zeitzeugen, die das viel besser wissen!
Mit dem Vorbehalt, dass sich der Autor hier nur auf Aussagen von Sammlern stützen kann, lässt sich ein Folge-Szenario erstellen: Dem BGSV gelang es bis auf die erwähnten Einzelentnahmen noch nicht einmal annähernd, die Petschek-Sammlungen während des Zweiten Weltkrieges zu verkaufen. Als möglicher Grund ist vielleicht weniger die vornehme Zurückhaltung der damaligen Mitglieder des BGSV anzunehmen, sondern zum einen der unglaublich große Bestand von enormen Marktwert, andererseits die schon erwähnte Ascher-Ganzsachensammlung, deren größere Teile ja vorhergehend schon im Kreise des Vereins aufgelöst worden war. Es fehlten einfach die „finanziellen Kapazitäten“, so dass die Sammlung wieder an die Finanzbehörden zurückging.
Was in den zwei Jahrzehnten nach 1945 mit dem verblieben Großteil der Sammlungen passiert ist, ist dem Autor ebenso unbekannt wie der Verbleib der Petschek-Briefmarken-Sammlungen, die ja auch schon einmal angesprochen wurden. Letztere scheinen wohl bald nach Konfiszierung über den Handel (Auktionen) verkauft worden zu sein, während der Petschek-Bestand bei Dr. Krause lagerte und dort überlebte. Interessant ist die Aussage eines Zeitzeugen, in dem Petschekbestand, den er später einsehen konnte, hätten sich bemerkenswert viel Material von und an eben diesen Dr. Krause gefunden!
Zu einem nicht näher bekannten Datum, vermutlich spätestens Mitte der 60er-Jahre, wurde die Sammlung den heutigen Besitzern rechtlich zugesprochen, die aber – ob Dr. Ernst oder Franz Petschek zu dieser Zeit noch lebten, ist dem Autor nicht bekannt, aber wohl auch nicht anzunehmen – offenbar kein Interesse an einer Weiterführung oder gar an einem Transport der Sammlung in die USA zeigten.
Auf bisher nicht geklärten Wegen ging die Sammlung an einen gewissen Dr. Ludwig Berger in Ascona. Berger war Jurist, Philatelist und eine Art „Auch-Briefmarkenhändler“, ein jüdischer Emigrant aus Österreich, der es zur Zeit des Nationalsozialismus rechtzeitig über die Grenze zur Schweiz geschafft hatte. Dort durfte er aber nicht arbeiten und konnte nur bleiben, solange er Geld hatte. Um 1960 erhielt er die Genehmigung mit Briefmarken zu handeln, zunächst allerdings nur im Geschäftsverkehr mit Nicht-Schweizern. So konzentrierte er seinen Handel auf Israel und wurde Spezialhändler für Holy-Land-Philatelie. Für dieses Gebiet führte er auch Auktionen durch.
1967 wurde diesem Dr. Ludwig Berger die Petschek-Ganzsachensammlung angeboten, die sich zu dieser Zeit in Hamburg befunden haben soll. Da er selbst den von ihm genannten Kaufpreis von 450.000 Sfr. nicht aufbringen konnte, suchte er sich ein oder zwei Partner. Man einigte sich zu dritt, den Gesamtpreis von 450.000 SFr. entsprechend zu teilen (Angaben, Berger habe für die Sammlung selbst nur 50.000 SFr. bezahlt sind für den Autor nicht mehr überprüfbar).
Einer der beteiligten Partner, Rolf-Dieter Jaretzky, wusste später zu erzählen: „Berger sagte, eine Besichgtigung sei nicht möglich, man müsse die Katze im Sack kaufen. Ich schlug als zweiten Partner einen gemeinsamen Freund vor, der auch mitspielte. Plötzlich kam die anfangs recht zäh laufende Geschichte in Gang. Ich war im Urlaub in Italien, als ich den Anruf bekam, der Betrag müsse noch heute überwiesen werden. Es gelang mir telefonisch, dies zu bewältigen. 14 Tage später sollte die Besichtigung in Ascona erfolgen. Stattdessen war das Geld rücküberwiesen worden – mit einem Bonus für den erzielten Gewinn. Dr. Berger gab an, er habe den gesamten Container zum doppelten Preis in Ascona verkaufen können!“
Schneller als die beiden deutschen Partner war ein gewisser Norbert Berger, ein Briefmarkenhändler aus Genf, gewesen, von dem Georges Schild 1988 berichtete, dieser habe einen Preis von 80.000 SFr. für die Sammlungen bezahlt. (27) Diese Angabe ist allerdings eher unzutreffend, denn mit dem Geld der deutschen Partner war Dr. Ludwig Berger nur in der Lage, die in Hamburg lagernde Sammlung anzukaufen und er zahlte diesen auch noch einen zusätzlichen Bonus für den entgangenen Gewinn zurück, so dass Jaretzky den Betrag, den Norbert Berger auf den Tisch legen musste, auf mindestens 600.000 bis 900.000 Sfr. schätzte. Zur damaligen Zeit auch ein Vermögen!
Paul Morgoulis, ein zu jener Zeit bekannter und stets gut informierter Raritäten-Händler, wusste zu berichten, dass Norbert Berger trotz des hohen Einstandes einen riesigen Gewinn mit der Sammlung gemacht habe. Er erwähnte, so der Informant des Autors, „speziell eine Mauritius- und eine Finnland-Ganzsachensammlung, die jede weit über 100.000 Sfr gebracht hätten“. Der Leser lasse sich diese Preise einmal auf der Zunge zergehen: sie wurden erzielt, als Ganzsachen noch nicht wieder den Beliebtheitsstatus und die Nachfrage hatten wie dies in späteren Jahrzehnten der Fall war!
Norbert Berger lieferte auch viele Lots bei Robson Lowes-Postal History-Auktionen in England ein. Und Jaretzky weiß aus jenen Jahren von phantastischen Preußen-Lots zu berichten, die Robson Lowe damals für 80 bis 100 £ taxierte, die dann zwar den bis zu 15fachen Preis erzielten, in denen sich aber auch einmalige Ganzsachen-Weltraritäten befanden: z.B. der 4 Pf.-Umschlag „Angelegenheit der Victoria-National-Invaliden-Stiftung“, von dem selbst heute angeblich nur zwei Exemplare (!) bekannt sind. Und die Stimme Rolf-Dieter Jaretzkys klingt selbst heute noch belegt, wenn er von dem Erwerb traumhaft erhaltener ungebrauchter Octagone spricht, die er damals komplett bei Robson Lowe erwerben konnte.
Der Berliner Auktionator Henry Passier deckte sich bei Robson Lowe mit einer umfangreichen Schleswig-Holstein-Ganzsachen-Sammlung ein, die vergleichbare Seltenheiten enthielt. Zwar wurde auch dieses Lot weit über Schätzpreis verkauft, aber – so Jaretzky – „dennoch fast verschenkt, da der Ganzsachenmarkt damals sehr schwach war“.
Georges Schild, der wohl als einer der ersten zuvor den Erwerb von Norbert Berger in Genf hatte sichten können, schrieb 1988: „Es war umwerfend: Alles, was in der Postgeschichte und den Ganzsachen interessant war, war vorhanden. Hunderte von Semstwo-Briefen, mehrere hundert Belege des deutsch-französischen Krieges, Tausende von Zensurbriefen aus dem 1. Weltkrieg, Seepost, Marineschiffspost, Feldpost und natürlich eine riesige Sammlung Ganzsachen inkl. postalischer Formulare der ganzen Welt“. (27)
Schild hatte sogar die Möglichkeit, sich aus den von Norbert Berger zusammen gestellten Hunderter-Paketen – diese kosteten z.B. 30 Franken – einzelne teils höchst seltene wertvolle Ganzsachen herauszupicken und diese dann ebenfalls per Hundert mit 30 SFr zu bezahlen. Norbert Berger war es nur wichtig, dass ihm am Schluss eben jeweils immer glatte Hunderter-Pakete verblieben! Bei teureren Paketen konnte er ebenso verfahren, Hauptsache, die Endzahl stimmte.
Damit wäre die Geschichte der Petschek-Sammlung eigentlich zu Ende. Die letzten, schon stark „geflöhten“ Reste verkaufte Norbert Berger an Dr. Ludwig Berger zurück. Angeblich, so Dr. Berger, für 150.000 Sfr., wahrscheinlich aber – hier dürfte die Anmerkung von Georges Schild zutreffen – für 80.000 Sfr. Ludwig Berger, der seine zuerst versetzten deutschen Partner erneut mit je einem Drittel beteiligen wollte, hatte aber nicht mehr den entsprechenden Material-Gegenwert zu bieten, dafür war schon viel zu viel entnommen worden. Einige Kisten sollen auch nach Holland vorab gegangen sein, angeblich waren sie „verloren“ gegangen, – irgendeiner der Bergers wird hier noch einmal zusätzlich verdient haben.
Die Partner waren dementsprechend unzufrieden, als sie das 20 qm-Zimmer mit den Resten durchsuchten und nicht sahen, wie sie auf ihren vorausbezahlten Einstand kommen sollten. So glich Dr. Berger ihre berechtigten Ansprüche dann letztlich mit zusätzlichen Marken aus dem eigenen Bestand aus.
Von den ursprünglich vorhandenen 40 bis 50 großen Kartons mit je 50 kg Gewicht war nur noch wenig geblieben. Die Resteverwertung, also die Reste der Reste, die die beiden Deutschen übrig ließen, gingen an einen englischen Händler, wahrscheinlich Ted Proud.
Das war dann endgültig das Ende eine der berühmtesten Sammlungen der Welt, ein Ende, wie es wohl keiner je vorausgesehen hätte: eine Sammlung, an der Menschen-Schicksale, Leid und Unglück, klebte. Begleitet von der Gier sich zu bereichern, wobei hier nicht die späteren Sammler gemeint sind, denen das Material ja quasi von der Familie, die festgelegt hatte, dass die Sammlung nur von einem Juden verkauft werden dürfte, angeboten wurde. So manche Teile der Sammlung scheinen Mitte der 80er-Jahre auch ihren Weg in die USA gefunden zu haben, dort wo heute wiederum die Erben leben.
„Auf jeden Fall war es ein Jammer zu sehen, wie diese einmalige Sammlung zerrissen und ‚verhökert’ wurde“, bekannt einer, der es wissen muss. Dies ist sicherlich richtig, aber man darf – ähnlich wie bei dem Angebot der Ferrari-Sammlungen in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts auch berücksichtigen, dass die Petschek-Sammlung, deren Glanzstücke heute Spitzenraritäten in den Kollektionen namhafter heutiger Sammler sind, ansonsten vielleicht in einem der zahlreichen Archivmagazine des ehemaligen Bundespostmuseums in Berlin vor sich hin schlummern würde. Wie vielleicht auch die Stücke, die ja vor Weitergabe an den Berliner Ganzsachen-Sammler-Verein schon entnommen worden waren. Wäre das wirklich besser?
Anmerkungen
(21) „The Petschek Collection“, in: Postal Stationary, March-April 2002, page 40
(22) Die Ganzsache Nr. 2/1938, S. 124; S. 60 (unter „Vereinsnachrichten“);
(23) vgl. Anm. 2, hier die Ausgaben von 1938/43;
(24) „The Petschek Collection“, in: Postal Stationary, March-April 2002, page 40;
(25) Lotz, Wolfgang: Die Deutsche Reichspost 1933–1945. Eine politische Verwaltungsgeschichte. Band 1: 1933–1939, Berlin 1999, hier S. 211;
(26) Die Ganzsache 23. Jg. Nr. 3/4-/1943, Seite 8
(27) Auf Wunsch der Korrespondenten und Informationsvermittler werden einige noch lebende Personen, die dem Autor bei seiner Recherche auch mit zitierten Aussagen behilflich waren, nicht namentlich genannt. Alle Aussagen liegen dem Autor aber vor.
Leider war es nicht möglich, die Nachfahren der Familie Petschek, die heute in den USA leben, in dieser Sache zu befragen. Ihr Rechtsanwalt teilte dem Autor am 31. Mai 2005 mit: „Die Petscheks sind, wie auch schon in der Vergangenheit nicht daran interesssiert, dass die Umstände der Familie in der Öffentlichkeit besprochen werden.“ Möge dieser Beitrag zu einem besseren Verständnis des Geschehens im Dritten Reich beitragen und die Erinnerung an erlittenes Unrecht wach halten.
(Erstveröffentlichung in „philatelie“, Nr. 338, August 2005, S. 45–48)