Die Post im Kanton Schaffhausen zu Beginn des Bundesstaates

by Adrian Schaub
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Artikel von Dr. Hans-Ulrich Stauffer, SPhV Basel

Mit der Bundesverfassung von 1848 vollzogen die Kantone der Schweiz den Übergang von einem lockeren Staatenbund zum modernen Bundesstaat. Zahlreiche kantonale Privilegien endeten, so beispielsweise das Münz- und das Zollwesen. Auch gingen die bestehenden kantonalen Postdienste auf die neue eidgenössische Post über.

Mit dem Kriegszug von Napoleon Bonaparte in der Folge der französischen Revolution endete in der Schweiz 1798 die alte Ordnung. Mit der nach französischem Muster konzipierten Helvetischen Republik endeten auch die bisher tätigen privaten Postdienste. Am 3. September 1798 erklärten die gesetzgebenden Räte das Postwesen zum Staatsregal der „einen und unteilbaren helvetischen Republik“. Die helvetische Post wurde unter einer Zentralverwaltung in fünf Kreisverwaltungen gegliedert, die Posttaxen für die ganze helvetische Republik vereinheitlicht und als Folge der französischen Revolution das Postgeheimnis eingeführt.

Die Post während der Mediationsszeit (1803-1848)

Doch der nach französischem Muster konzipierte Zentralstaat war der föderalistischen Tradition der Schweiz jedoch völlig entgegengesetzt und in der Folge nicht durchsetzbar. Bereits 1803 wurde durch die Mediationsakte die Zentralisierung des Postwesend wieder aufgegeben und die Kantone in ihren alten Postrechten wieder eingesetzt. Sie konnten das Postwesen nun in freier Wahl entweder in Eigenregie betreiben oder verpachten. Diese Periode, die von 1803 bis zur Einführung der eidgenössischen Post im Jahre 1849 dauerte, wird auch die „Zeit der kantonalen Posten“ genannt. Fünf Kantone, darunter Basel und Zürich, führten eine Regiepost ein. Bern überliess das Postwesen wiederum der Familie Fischer von Reichenbach, St. Gallen der Kaufmannschaft.

Andere Kantone verpachtete das Postwesen, so Schaffhausen, wo wie bereits früher einmal das Fürstenhaus Thurn und Taxis zum Zug kam. Doch schon bald kam es zum Konflikt zwischen der Postverwaltung und der Schaffhauser Kaufmannschaft, welche den Postdienst für sich reklamierte. Nach nahezu zwanzigjährigem Disput kam es schliesslich 1827 zu einem Abkommen mit Thurn und Taxis, wonach den drei bisherigen Schaffhauser Postmeisterfamilien das Postregal als Erblehen bestätigt wurde mit der Auflage, einen die Posttätigkeit ausübenden Lehensträger zu bestimmen. Dieser war wiederum Thurn und Taxis war. Dieser Vertrag war auf 20 Jahre befristet. Für die Lehensübertragung hatten die drei schaffhausischen Postmeister dem Kanton einen Pachtzins von jährlich 1500 Gulden zu bezahlen – zu viel, wie sich bald herausstellte, denn der Postdienst im kleinen Kanton brachte das nicht ein. Am 17. November 1833 liessen sie deshalb der Regierung und dem Grossen Rat des Kantons eine Eingabe zukommen, in welcher sie auf die ihnen übertragenen Postrechte verzichteten und beantragten, das Postlehen direkt dem Fürsten von Thurn und Taxis zu übertragen. Schon am 22. November 1833 stimmte der Grosse Rat der Übertragung zu.

Abb. 1: Ankündigung der Übernahme der schaffhausischen Post durch Thurn und Taxis.

Mit dem Ratsbeschluss von 1833 war nun Thurn und Taxis direkt zuständig für den Postdienst in einem eidgenössischen Kanton – ein Unikum. Dies stiess auf Kritik der Tagsatzung – dem Koordinationsorgan der Kantone – von 1834, welche im Abkommen ein Hindernis für die vorgesehene Vereinheitlichung der bestehenden kantonalen Posten sah. Der Vertrag war jedoch staatsrechtlich nicht anfechtbar, denn der Kanton Schaffhausen hatte mangels anderweitiger eidgenössischer Regelung das Recht zum Abschluss eines solchen Vertrags gehabt.

Die Post im Schweizerischen Bundesstaat

Am 12. September 1848 setzte die Tagsatzung die von der Mehrheit der Kantone angenommene Bundesverfassung in Kraft und löste sich nach 550jährigem Bestehen auf. Am 6. November 1848 trat erstmals die neugewählte Bundesversammlung – Ständerat und Nationalrat – in Bern als eidgenössisches Parlament zusammen.

In der Bundesverfassung war das Postwesen in Art. 33 ausführlich geregelt. Einleitend wird festgehalten, dass das Postwesen im ganzen Gebiet der Eidgenossenschaft vom Bund übernommen wird. In den nachfolgenden Ausführungsbestimmungen wird prominent festgehalten, dass die bestehenden Postverbindungen ohne Zustimmung der betroffenen Kantone nicht vermindert werden dürfen und dass die Tarife für das ganze Gebiet der Eidgenossenschaft einheitlich und nach „billigen Grundsätzen“ – also angemessen und fair – zu bemessen seien.

Abb. 2a: Die Bundesverfassung von 1848
Abb. 2b: Art. 33 BV regelt das Postwesen (Auszug)

Gestützt auf die Verfassungskompetenz verabschiedete das Parlament am 4. Juni 1849 die beiden ersten Postgesetzte: das Gesetz über das Postregal und das Postorganisationgesetzt, vier Tage später das Tarifgesetz, welches schon am 1. Oktober 1849 in Kraft trat.

Mit der Gründung der Eidgenossenschaft wurde auch die einheitliche Währung, der Schweizer Franken mit 100 Rappen, eingeführt und die kantonale Münz- und Zollhoheit aufgehoben, ebenso erfolgte eine Vereinheitlichung von Massen und Gewichten. Die Vereinheitlichung im Postwesen betraf die kantonalen Posten. In diesem Zeitpunkt gab es in der Schweiz noch 17 kantonale Regiebetriebe sowie als Exot die Thurn und Taxis’sche Post im Kanton Schaffhausen.

Die kantonalen Posten – auch diejenige im Kanton Schaffhausen – gingen rechtlich auf den 1. Januar 1849 an den Bund über. Dieser Übergang der kantonalen Postdienste auf den Bund ging problemlos nach dem Grundsatz „Bundesrecht bricht kantonales Recht“ vonstatten, hatten doch die Kantone mit der Annahme der Bundesverfassung die Postkompetenz dem Bund übertragen.

Doch dieser Grundsatz liess sich nicht auf den Kanton Schafhausen übertragen, denn hier bestand ein rechtsgültig abgeschlossener Staatsvertrag mit einer ausländischen Partei. Gegen die Aufhebung seines Postrechts hatte das Fürstenhaus schon 1848 umgehend Einspruch erhoben und auf der weiteren Gültigkeit des Vertrags bestanden. Anfänglich setzte das Fürstenhaus darauf, dass zumindest für eine Übergangszeit den Postdienst weiter zu besorgen. Am 26. Dezember 1848 liess das Fürstenhaus durch ihren lokalen Postmeister Klein erklären, die Verwaltung der „Posten des Cantons Schaffhausen vom 1. Januar 1849 an bis zu einer Verständigung in Ansehung derselben provisorisch für die Rechnung der Eidgenossenschaft fortzuführen“. Ein halbes Jahr später antwortete der Bundesrat am 29. Juli 1849, dass er beschlossen habe, „die bisherige Fürstlich Thurn und Taxis’sche Postverwaltung im dortseitigen Kanton auf den 1. September nächstkünftig aufzuheben“.

Gegen die faktische Enteignung klagte das Fürstenhaus vor Gericht in Frankfurt. Das war wohl einer der ersten internationalen Gerichtsfälle des jungen Bundesstaates. Nach langwierigen, mehrjährigen Verhandlungen endete dieser Prozess am 12. März 1853 durch einen Vergleich. Darin verzichtete der Fürst gegen eine Zahlung von 150‘000 Franken auf seine Postrechte im Kanton Schaffhausen. Mit der Zahlung einher ging die Übertragung des postalischen Inventars der Postämter im Kanton Schaffhausen an die Bundespost. An Inventar gingen von der Thurn und Taxis’schen Post gemäss Vergleich Wagen, Schlitten, Stempel und sonstige Bürorequisiten im Wert von 5300 Gulden auf die eidgenössische Post über.

Abb. 3: Auszug aus dem Vertrag von 1853

1.1.1849: Die eidgenössische Post

Ab dem 1. Januar 1849 gab es in Schafhausen neben der eidgenössischen Post keine andere Post mehr, auch wenn der Postdienst mit dem gleichen Personal wie zu Thurn und Taxiszeiten ausgeübt wurde. Weiterhin verwendet wurden die aus der Thurn- und Taxis’schen Zeit stammenden Stempel. Aus den Unterlagen der Entschädigungsverhandlungen zwischen Thurn und Taxis und der Eidgenossenschaft geht hervor, dass im Zeitpunkt des Übergangs insgesamt 70 Positionen „Dienstpapiere“ vorhanden waren, die teilweise auch unter der Ägide der eidgenössischen Post weiterverwendet wurden. Für die weiterhin verwendbaren Papiere wurde eine Abfindungssumme von 144 Gulden und 22 Kreuzer errechnet, dazu kamen sechs Wagen und drei Schlitten im Zeitwert von 5375 Gulden und „sonstiges Inventar“ von 1500 Gulden. Dieses „sonstige Inventar“ ist weiter nicht detailliert, jedoch ergibt sich aus dem Vergleichsvertrag vom 12. März 1853, dass darin auch Stempel abgegolten worden sind. Ein Inventar der übertragenen Stempel fehlt jedoch.

Aus der Forschung ergeben sich jedoch zahlreiche Erkenntnisse über die Weiterverwendung dieser Thurn und Taxis’schen Stempel durch die eidgenössische Postverwaltung. Diese wurden unterschiedlich lange weiterverwendet und können nicht nur für die Vormarkenzeit festgestellt werden, vielmehr wurden sie auch zur Entwertung der eidgenössischen Postwertzeichen verwendet. So sind die Vorläufer „Winterthur“, Rayons sowie geschnittene und gezähnte Strubel mit solchen Entwertungen bekannt. Die Thurn und Taxis’schen Stempel sollen zuerst in Schaffhausen, ab Ende 1853 in Stein a.R. und ab 1854 in den anderen Postämtern ersetzt worden sein. Eine Spätverwendung des Stempels „Post-Collection Löhningen“ ist sogar am 30. August 1872 nachgewiesen – drei Jahrzehnte nach Ende der Thurn und Taxis’schen Post!

Abb. 4a: Brief von Schaffhausen nach Stein (am Rhein)

„Schaffhausen, 25.2.1852“: Auch nach über drei Jahren fand der T&T-Stempel Verwendung, ebenso der Stempel „Nachmittag“ (in der 2. Version; Winkler 3497); zu jenem Zeitpunkt stehen bereits Briefmarken der eidgenössischen Post zur Verfügung.

Abb. 4b: „Stein, 26 Feb 1852“: Rückseitiger Ankunftsstempel aus der T&T-Zeit (Winkler Nr. 3518).

Auch nach Einführung der Briefmarken in Schaffhausen durch die eidgenössische Post wurde der aus der T&T-Zeit stammende Einkreisstempel „Schaffhausen“ weiterverwendet. Dies gilt auch für den typengleichen Einkreisstempel von Thayingen.

Abb. 5: Brief von Thayingen nach Schaffhausen

„Thayingen, 17.9.1851“ (Winkler Nr. 3959); frankiert mit „Poste Locale“ und Rayon I, entwertet mit der achtlinigen schwarzen Raute von Thayingen (Winkler 7020); rückseitig T&T Distributionsstempel von Schaffhausen vom 18.9. (Ex Sammlung Rehm; Rapp-Auktion 1994, Los 111; Corinphila-Auktion 2021, Los 8022, Ausruf CHF 7500, Zuschlag CHF 18‘000).

Abb. 6: Brief von Schaffhausen nach Zürich

„Schaffhausen, 20.2.1853“ und „Nachmittag“; frankiert mit je einer Ausgabe „Rayon I“ und „Rayon II“, entwertet mit schwarzer eidg. Raute; rückseitig Ankunftsstempel „Zürich, 21. Feb. 1853, Vorm.“

Abb.7: Brief von Schaffhausen nach Basel

„Schaffhausen, 23.2.1853“ und „Nachmittag“; frankiert mit „Rayon III“, entwertet mit schwarzer eidg. Raute; rückseitig Ankunftsstempel „Basel, 24. Mai 53, Distr.“.

Besonders reizvoll ist natürlich die Verwendung der ehemaligen Thurn & Taxis Post-Collectionsstempel und der Steigbügelstempel von Schleitheim und Bargen zur Entwertung von frankierten Briefsendungen. Der Bargen-Stempel wurde Anfang Februar 1852 aptiert und das Datum entfernt.

Abb. 8: Brief von Buchberg nach Aarau-Bunzen

T&T Stempel der «Post-Collection Buchberg» (Winkler 3507; Abbildung aus Rapp-Auktion 1994, Los 642)

Abb. 9: Brief von Bargen nach Schaffhausen

„Bargen, 14. Nov. 1855“: Weiterverwendung des T&T Steigbügel-Stempel (Winkler Nr. 3505; Abbildung aus Rehm, 167, sowie Rapp-Auktion 1994, Los 485)

Hinweis:

Eine längere Darstellung der Postgeschichte des Kantons Schaffhausen unter Thurn und Taxis erschien in der Herbstausgabe 2021 der „Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Thurn und Taxis“, in welcher auch zahlreiche Quellenangaben enthalten sind. Der Artikel kann als PDF beim Verfasser bestellt werden (hu.stauffer@bluewin.ch).

Für die Zurverfügungstellung der Abb. 1 danke ich Herrn Werner Schäfer, Büttelborn. Nicht gezeichnete Belege stammen aus der Sammlung des Verfassers.

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