Perfins aus drei Ländern von der Schusterinsel (von Dr. Matthias Vogt)

by Adrian Schaub
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In der SBZ 9/2025 hat Dr. Matthias Vogt einen spannenden philatelistischen Artikel über die trinationale Schusterinsel bei Basel veröffentlicht, den wir an dieser Stelle freundlicherweise reproduzieren dürfen:

Die Schusterinsel als rätselhafter Standort für eine Färberei mit Firmenlochung.

Von Dr. Matthias Vogt

Wenn wir über Firmengeschichten reden, dann ist eine kleine, feine Abteilung der Philatelie eng am Thema: Das sind die Firmenlochungen, international Perfins genannt (der perforierten Initialen wegen). Denn deren Sammler müssen sich klarerweise mit der Geschichte des jeweiligen Unternehmens beschäftigen – wobei es manches Rätsel zu lösen gibt. Beispielsweise bei der Färberei und Appretur Schusterinsel.

Gegen die Löcher in ihren Briefmarken hatte die Schweizer Post erstaunlicherweise gar nichts einzuwenden.

Diese Zustimmung ward später wiederholt: „Die Verwendung von Frankomarken, welche von Geschäftshäusern behufs Erlangung einer privaten Kontrolle mit einem oder mehreren Buchstaben durchlöchert werden, ist zulässig“. (In „Tarif und Instruktion betreffend die Briefpostsendungen im Inneren der Schweiz“ vom 1. Juli 1891.)

Womit von Anfang an klar ist: es geht bei Perfins um den Diebstahlschutz. Denn fremde ungestempelte Marken konnte man ja für die eigenen Briefe missbrauchen. Bei Exemplaren mit Löchern im Markenbild dürfte aber auffallen, dass sie gestohlen wurden.

Die drei Buchstaben, um die es in dieser Firmengeschichte geht, hießen F. A.S., also die Abkürzung der Unternehmens-Bezeichnung. Man findet, das ist die erste Überraschung, dieses Lochmuster identisch in den Briefmarken zweier Länder: der Schweiz und Deutschland. Ein sogenannter Grenzgänger. Die zweite Überraschung entsteht bei Betrachten der Stempel.

CH: F6 [1] Basel-Kleinhüningen 1896-1930.

D: 2-FAS-2 [2]: Stempel von Hüningen, St. Ludwig im Elsass-Lörrach (Bahn) 1897-1912, Weil am Rhein-Leopoldshöhe 1896/97, 1930-1936.

Ja, was denn nun? Wo hatte die Firma ihren Sitz? In Basel, in Hüningen oder in Weil am Rhein? Also in der Schweiz, im damals deutschen Elsass oder im Großherzogtum Baden? Normalerweise weiß man als Sammler dann Bescheid, wenn man einen Beleg der Firma sieht. Aber nur normalerweise.

6. Mai 1930: Brief mit Firmenlochung der Färberei & Appretur Schusterinsel aus Basel 19 (Kleinhüningen).

6. Dezember 1897: Briefkopf der Färberei und Appretur Schusterinsel bei Hüningen (Elsass)

24. Februar 1931: Brief mit Firmenlochung der Färberei & Appretur Schusterinsel aus Weil am Rhein.

Jetzt sind wir so schlau wie zuvor. Ja war denn der Standort des Betriebes, die Schusterinsel, eine schwimmende Insel, die mal am linken, mal am rechten Rheinufer anlegte, mal in Basel? Schauen wir auf historische Abbildungen. Die zeigen ein Oval, das im Rhein liegt.

Blick über die Schusterinsel zur Festung Hüningen am anderen Rheinufer.

Vogelschaublick von Norden auf die Festung Hüningen (rechts vorne), links im Rhein die Schusterinsel, im Hintergrund Basel.

Die Schusterinsel war eine Insel – bis 1860 der Rheinarm zwischen Insel und Ufer zugeschüttet wurde und die Schusterinsel ans badische Festland heranwuchs. Allerdings, das machte die Sache so international, gehört auch ein Drittel der Schusterinsel zur Schweiz.

Auf dem badischen und damit deutschen Teil gründeten Schweizer Unternehmer 1901 die Färberei und Appretur Schusterinsel [3], die gefärbte Seidenstoffe in die Welt exportierte. Das Werk beschäftigte bis zu 1.400 Menschen.

Die Färberei und Appretur Schusterinsel im Jahre 1919.

Maschine zum Bedrucken von Seidenstoff.

Aber wenn das Werk erst 1901 gegründet wurde, wieso gibt es dann die Firmenlochung schon nachweislich ab dem Jahre 1896? Die Jubiläums-Schrift verrät: Auf dem Fabriksgelände stand zuvor ein Unternehmen mit gleichem Namen, das allerdings in Konkurs ging. Und die neue Färberei und Appretur Schusterinsel übernahm die Gebäude und dabei im Büro offenbar auch die Lochzange mit den Buchstaben F.A.S.

Und wie kam es nun dazu, dass Briefe der Firma mal in Basel, mal in Hüningen, mal in Weil am Rhein abgeschickt wurden? Auf der alten Karte ist ja zu sehen, dass die Schusterinsel genau im Dreiländereck lag – was das Unternehmen ausnutzte. Um für die Korrespondenz nur das Inlandsporto zu bezahlen, ging die Post im passenden Postamt ab, frankiert mit den Marken der jeweiligen Länder, vorrätig gehalten im Büro und gelocht von der einen, selben Zange. Auch die Kunden konnten mit dem Inlandsporto an die schweizerische, deutsche oder (später dann) die französische Adresse schreiben. Vorteile für alle.

Nur die Perfins-Sammler mussten tief in der Firmengeschichte graben, bis sie die verschiedenen Orts-Stempel auf den gelochten Marken verstehen konnten.

Und die Färberei und Appretur Schusterinsel selbst? Sie musste sich 1974 der asiatischen Konkurrenz geschlagen geben.

[1] Baer, Martin: Swiss Perfins, Kloten 2014

[2] Arbeitsgemeinschaft Lochungen im BDPh (Hrsg.): Katalog der deutschen Firmenlochungen, o.O. 2008.

[3] 50 Jahre Schusterinsel 1901 1951, herausgegeben von der Färberei & Appretur Schusterinsel anlässlich ihres fünfzigjährigen Bestehens, Weil am Rhein 1951.

Belege aus der Sammlung des Autors

matz.vogt@t-online.de

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