Thomas Loisl Mink, Badische Zeitung 6.9.2021. Am 7. September 1921 gründeten sieben Briefmarkensammler im Gasthaus Jägerstüble in der Feldbergstraße Lörrach den Briefmarken-Sammlerbund Lörrach. Am Freitag feiert der Verein sein 100-jähriges Bestehen um 16 Uhr mit einem Festakt im Dreiländermuseum.
“Ich bin durch Tante und Onkel dazu gekommen, und wenn einen die Sammelleidenschaft einmal gepackt hat, lässt sie einen nicht mehr los”, sagt Karl Thamerus, der Vorsitzende des Briefmarken-Sammlerbundes. Vor 100 Jahren hat man alles gesammelt, was es gab, die Vielfalt war damals noch nicht so groß. Heute muss man sich als Sammler auf bestimmte Gebiete spezialisieren. “Ich sammle keine Neuzeit”, stellt Thamerus fest. Er hat sich auf Altbaden und das Deutsche Reich von 1872 an spezialisiert, und das hat er fast komplett, postfrisch und gestempelt, wie er betont. Daneben sammelt er schweizerische und französische Marken, das Dreiländereck eben. Trotz dieser Spezialisierung hat er ein ganzes Zimmer voll mit Regalen, die wiederum randvoll sind mit Briefmarkenalben.
Schätze im Tresor
Ein paar davon sind im Tresor. Thamerus zeigt ein Blatt mit einem Satz Deutsche-Reich-Marken von 1872. Es ist knapp 140 000 Euro wert. “Aber den Preis bekommt man nicht”, stellt er fest. Der Preis, der im Katalog steht, wurde irgendwann einmal bei einer Auktion erzielt. Thamerus hat noch nie Marken zum Katalogpreis gekauft, und wenn er welche verkauft, erzielt er diesen Preis auch nie. Die Post hat früher einmal die Briefmarke als die Aktie des kleinen Mannes bezeichnet. Doch das muss man differenziert sehen.
Wie überall bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. Teuer sind die seltenen Stücke. Das ist nicht nur die Blaue Mauritius, für die Millionen gezahlt werden. Das ist zum Beispiel auch eine Marke, die die Schauspielerin Audrey Hepburn mit Zigarette und Zigarettenspitze zeigt. Die Marke wurde nie veröffentlicht, aber auf krummen Wegen sind einzelne Stücke davon in Umlauf gekommen, erzählt Rosi Thamerus, die Schriftführerin im Verein.
Marke versehentlich in Umlauf gebracht
Oder die “Gscheidle-Marke”. Die Marke mit den Olympia-Ringen wurde 1980 nicht in Umlauf gebracht, doch der damalige Postminister Kurt Gscheidle hat einen Probebogen davon erhalten, und seine Frau hat damit irrtümlich Briefe frankiert.
Heutige Briefmarken taugen kaum noch zur Wertanlage. Zwar gibt es nach wie vor jede Menge Briefmarken, auch wenn nicht mehr alle den Weg in jede Postagentur finden. Aber die Marken sind unbegrenzte Zeit verfügbar, während sie es früher oft nur für zwei Monate waren. Außerdem betreibt die Post einen Sammler-Service, wo man die neuen Marken abonnieren kann. Dadurch sind zu viele auf dem Markt, der Wert sinkt. Aber auch bei Sammlungsauflösungen oder Nachlässen, die der Verein oft angeboten bekommt, sind selten wertvolle Stücke dabei. “Für mich ist Briefmarkensammeln keine Geldanlage, sondern ein Hobby”, stellt Karl Thamerus fest. Das Durchschnittsalter der Mitglieder im Sammlerbund liegt bei 65 Jahren. Auch einige jüngere Mitglieder konnte der Verein gewinnen. Die Corona-Pandemie hat jedoch die Aktivitäten des Sammlerbundes sehr stark eingeschränkt.
Sammlerbund von den Nazis vereinnahmt
Seine erste Ausstellung veranstaltete der Sammlerbund 1924 im Gasthaus Krone, das 1955 abgerissen wurde. Das Briefmarkensammeln erfreute sich in den 1920er Jahren steigender Beliebtheit. Während der Diktatur sollte der Verein dem Nazi-Freizeitverband “Kraft durch Freude” beitreten, wogegen er sich lange wehrte, 1941 aber seinen Widerstand aufgeben musste. Während dieser Zeit schlossen sich auch Mitglieder an, die gar keine Briefmarken sammelten, aber die Mitgliedschaft im harmlosen Briefmarken-Sammlerbund als Nachweis der geforderten Mitgliedschaft in einer NS-Organisation benutzten.
Wegen der KdF-Mitgliedschaft war die Vereinstätigkeit nach dem Krieg zunächst nicht mehr erlaubt. 1948 wurde der Verein neu gegründet. Vom 5. bis 8. Mai 1961 veranstaltete er in der Stadthalle die Südwestdeutsche Briefmarkenausstellung mit 4000 Besuchern. 1971 wurde das 50-jährige Bestehen groß gefeiert. Mehrmals organisierte der Verein große Ausstellungen, so 1977 im Hauptpostamt Lörrach oder 1981 in der Stadthalle.
Drei Mitglieder 70 Jahr dabei
Gründungsmitglieder hat der Sammlerbund verständlicher Weise keine mehr, aber immerhin drei Mitglieder, die stolze 70 Jahre dabei sind. Darunter der Ehrenvorsitzende Heinz Jaeger, 97 Jahre alt, der erst Anfang August ein Buch übers Briefmarkensammeln veröffentlicht hat, das beim Festakt am Freitag vorgestellt wird. Für seine monatlichen Treffs sucht der Verein noch einen neuen Ort, nachdem es im Brauhaus Lasser, wo er seit 1952 war, nicht mehr klappt, und am 3. April 2022 findet, so Corona es zulässt, wieder der jährliche Großtauschtag in der Schlossberghalle statt.